1.
Hinter diesem Aufruf stehen verantwortungsbewusste Bauern und Bäuerinnen, Fachleute aus dem landwirtschaftlichen Umfeld sowie besorgte Konsumentinnen und Konsumenten. ln Achtsamkeit gegenüber dem Boden und der darauf gedeihenden Vielfalt wollen wir neue und zukunftsweisende Bewirtschaftungsformen verwirklichen, die das natürliche Prinzip des Werdens und Vergehens respektieren.
2.
Wir gehen davon aus, dass die Ernährung mit weitgehend eigen produzierten Lebensmitteln ein Grundbedürfnis und das sinnvolle landwirtschaftliche Ziel jeder lokalen Gemeinschaft, Region oder Nation ist.
3.
Bauern und Bäuerinnen, aber auch viele andere Mitgliederder Gesellschaft tragen zu dieser verantwortungsvollen Aufgabe bei. Überschaubare und persönlich gestaltbareVerhältnisse sind die Grundlage für eine lebendige Landwirtschaft.
4.
Weltweit ist die kleinräumige bäuerliche Landwirtschaft ein unverzichtbares Landschaftselement. Sie beherbergt eine ökologische Vielfalt an Pflanzen und Tieren und trägt ein biologisches, soziales und kulturelles Erbe. Dieser sorgsam bearbeitete Boden ist und bleibt die Lebensgrundlage für alle Menschen.
5.
Der Weltagrarberichthält in eindrücklicher Weise fest, dass die heute dominierende Landwirtschaft in Strukturen gefangen ist, die der Biodiversität schaden und soziale Ungerechtigkeit verursachen. Die Hungerproblematik verschärft sich anstatt gemildert zu werden. Um Böden, Luft, Gewässer und Menschen wieder gesunden zu lassen, müssen radikal andere Wege beschritten werden.
Vieles dreht sich um den Schlüsselfaktor Erdöl. Die Industrialisierung der Nahrungsproduktion bewirkt, dass unsere Landwirtschaft die nachhaltige Nutzungsweise der natürlichen Grundlagen aus den Händen gegeben hat und von nicht erneuerbarer Energie abhängig geworden ist. Die Begrenztheit der fossilen Energiereserven und die mit ihrem Verbrauch einhergehende Klimaveränderung zwingen die Landwirtschaft der lndustrieländer, rasch aus der Energie verschleissenden Produktionsweise herauszufinden.
7.
Die Schweiz ist durch Import- und Exportverbindungen in die weltweite Agrarproblematik eingeflochten. Wir haben einen statistischen Selbstversorgungsgrad von etwa 50%. Energetisch betrachtet ist unser Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln jedoch Null. Jede Kalorie, die uns ernährt,wird erst durch den "Einkauf" von nicht erneuerbaren Kalorien verfügbar. Diese verdrängte Tatsache steht in auffallendem Widerspruch zum Verfassungsauftrag über die Ernährung der Schweizer Bevölkerung.
8.
Aufgrund des Gesagten ergeben sich vier offensichtliche Forderungen zur Sicherung der landwirtschaftlichen Flächen als nachhaltige Lebensgrundlage:
- Eher kleinere Betriebseinheiten und nicht grössere,
- Mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und nicht weniger,
- Grössere natürliche Vielfalt auf den Betrieben,
- Neue Formen der nachbarschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit.
9.
Diese Zielvorstellungen verlangen nach völlig neuen Handlungsgrundsätzen für Bauern und Bäuerinnen. Dass der bisherige Fortschrittspfad der industriellen Landwirtschaft in eine Sackgasse führt, muss auch von der übrigen Bevölkerung erkannt und in den Konsequenzen mitgetragen werden. Selbst der biologische Landbau erweist sich unter der herrschenden wachstumsorientierten Denkweise als nicht nachhaltig. Politik, landwirtschaftliche Ausbildungsstätten, die Agrarwissenschaft und wir alle sind aufgefordert, umzudenken und anders zu handeln.