Mit der vorliegenden Erklärung wollen wir eine landwirtschaftliche Basisbewegung in Gang bringen, welche ausserhalb der neoliberalen Logik der heutigen Nahrungsproduktion nach Lösungen sucht.
Hinter diesem Aufruf stehen verantwortungsbewusste Bauern und Bäuerinnen, Fachleute aus dem landwirtschaftlichen Umfeld sowie besorgte Konsumentinnen und Konsumenten. In Achtsamkeit gegenüber dem Boden und der darauf gedeihenden Vielfalt wollen wir neue und zukunftsweisende Bewirtschaftungsformen verwirklichen, die das natürliche Prinzip des Werdens und Vergehens respektieren.
Wir gehen davon aus, dass die Ernährung mit weitgehend eigenproduzierten Lebensmitteln ein Grundbedürfnis und das sinnvolle landwirtschaftliche Ziel jeder lokalen Gemeinschaft, Region oder Nation ist.
Bauern und Bäuerinnen, aber auch viele andere Mitglieder der Gesellschaft tragen zu dieser verantwortungsvollen Aufgabe bei. Überschaubare und persönlich gestaltbare Verhältnisse sind die Grundlage für eine lebendige Landwirtschaft.
Weltweit ist die kleinräumige bäuerliche Landwirtschaft ein unverzichtbares Landschaftselement. Sie beherbergt eine ökologische Vielfalt an Pflanzen und Tieren und trägt ein biologisches, soziales und kulturelles Erbe. Dieser sorgsam bearbeitete Boden ist und bleibt die Lebensgrundlage für alle Menschen.
Der Weltagrarbericht hält in eindrücklicher Weise fest, dass die heute dominierende Landwirtschaft in Strukturen gefangen ist, die der Biodiversität schaden und soziale Ungerechtigkeit verursachen. Die Hungerproblematik verschärft sich anstatt gemildert zu werden. Um Böden, Luft, Gewässer und Menschen wieder gesunden zu lassen, müssen radikal andere Wege beschritten werden.
Vieles dreht sich um den Schlüsselfaktor Erdöl. Die Industrialisierung der Nahrungsproduktion bewirkte, dass unsere Landwirtschaft die nachhaltige Nutzungsweise der natürlichen Grundlagen aus den Händen gegeben hat und von nicht erneuerbarer Energie abhängig geworden ist. Die Begrenztheit der fossilen Energiereserven und die mit ihrem Verbrauch einhergehende Klimaveränderung zwingen die Landwirtschaft der Industrieländer, rasch aus der Energie verschleissenden Produktionsweise herauszufinden.
Die Schweiz ist durch Import- und Exportverbindungen in die weltweite Agrarproblematik eingeflochten. Wir haben einen statistischen Selbstversorgungsgrad von etwa 50%. Energetisch betrachtet ist unser Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln jedoch Null. Jede Kalorie, die uns ernährt, wird erst durch den „Einkauf“ von nicht erneuerbaren Kalorien verfügbar. Diese verdrängte Tatsache steht in auffallendem Widerspruch zum Verfassungsauftrag über die Ernährung der Schweizer Bevölkerung.
Aufgrund des Gesagten ergeben sich vier offensichtliche Forderungen zur Sicherung der landwirtschaftlichen Flächen als nachhaltige Lebensgrundlage:
- Eher kleinere Betriebseinheiten und nicht grössere,
- Mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und nicht weniger,
- Grössere natürliche Vielfalt auf den Betrieben,
- Neue Formen der nachbarschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit.
Diese Zielvorstellungen verlangen nach völlig neuen Handlungsgrundsätzen für Bauern und Bäuerinnen. Dass der bisherige Fortschrittspfad der industriellen Landwirtschaft in eine Sackgasse führt, muss auch von der übrigen Bevölkerung erkannt und in den Konsequenzen mitgetragen werden. Selbst der biologische Landbau erweist sich unter der herrschenden wachstumsorientierten Denkweise als nicht nachhaltig. Politik, landwirtschaftliche Ausbildungsstätten, die Agrarwissenschaft und wir alle sind aufgefordert, umzudenken und anders zu handeln.
Das Bioforum Schweiz als Verfasser der Möschberg Erklärung repräsentiert eine weit gefächerte Gruppe landwirtschaftlich engagierter Menschen. Rund um den Kern der Biobauern und Biobäuerinnen bringt es Männer und Frauen aus verschiedensten Berufen zusammen. Der Möschberg war die Wiege des organisch-biologischen Landbaus im deutschsprachigen Raum. Der Verein Bioforum Schweiz pflegt dieses Erbe und ist sich zugleich bewusst, dass „Bio“ allein nicht mehr genügt. Wir haben bisher den fruchtbaren Boden ins Zentrum gestellt, jetzt müssen wir die Erde in die Mitte unseres Denkens und Handelns nehmen.
Der unter grossem Aufwand verfasste Weltagrarbericht bestätigt eindrücklich – und beängstigend, was wir aus eigener Erfahrung schon länger spüren: So geht es nicht weiter. Auch in der Schweiz gilt: Wir überschauen zwar unser Land, aber nicht mehr die Rahmenbedingungen, die uns unsere Wirtschaftsweise aufzwingen. Bauern und Bäuerinnen müssen die Selbstbestimmung über den Boden zurück erlangen und natürlichen Prozessen ihren Raum und ihre Zeit geben können.
Das grosse politische Stichwort heisst heute Ernährungssouveränität: Selbstbestimmung über die Versorgung mit Lebensmitteln. Doch der Landwirt in den Industrieländern kauft seine Kartoffeln, seinen Weizen, seine Rüben dem Acker mit Erdöl ab. Danach gehen 4 von 5 Ernährungskalorien vom Feld auf den Teller verloren. Trotzdem geschieht auf diesem Verarbeitungsweg eine finanzielle Wertschöpfung, kostet doch der Kartoffelchip weit über das 100-fache des Ausgangsprodukts Kartoffel. Ernährungsmässig findet aber ein krasser Wertverminderungsprozess statt. Genau betrachtet ist der schweizerische Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln tiefer als Null.
Viele Konsumenten und Direktabnehmerinnen landwirtschaftlicher Produkte haben erkannt, dass die Landwirtschaft kein Industriezweig ist, welcher zwingend nicht erneuerbare Ressourcen verbraucht. Bodenbebauung bringt „Ressourcen“ hervor, gehorcht dabei aber natürlichen Gesetzen und nicht den Mechanismen des Weltmarktes oder der Industrie, die dem Gewinn und der Wachstumsquote verpflichtet sind. Die Gier des Geldes darf im Sog aktueller Ereignisse nicht weiter die Grundlage der Lebensmittelerzeugung zerstören. Vielmehr muss jetzt die Landwirtschaft wieder ein integraler Bestandteil der Gesellschaft werden und aus der Rolle des Patienten und Sonderfalls herausfinden. „Mehr Leute aufs Land, mehr Gärten in die Stadt“, lautet das Motto.
Bäuerliches Wissen und die Eigenart jeder Hofeinheit werden von Wissenschaft und Politik oft an den Rand gespielt, Freude und Selbstbewusstsein bei den Bauern und Bäuerinnen weichen einer Angst gegenüber stets wechselnden Entwicklungen. Sie möchten ihre Wertschätzung zurück und sind im Gegenzug bereit, ihre Betriebe zu öffnen und in den Dialog mit den Konsumentinnen und Konsumenten zu treten. Es ist dringend nötig, dass die grosse nicht bäuerliche Mehrheit der Gesellschaft die buchstäblich vitale Bedeutung der Landwirtschaft wieder erkennen und schätzen lernt. Nur gemeinsam können wir es schaffen, aus der Falle der Energie verschleissenden Nahrungsproduktion und gleichzeitigen Naturzerstörung herauszufinden.
Mit Ihrer Unterschrift setzen Sie ein Zeichen der Solidarität mit der Landbevölkerung überall auf der Welt, zeigen Ihre Verantwortung gegenüber dem Klimawandel und Ihre Wertschätzung für natürlich und lokal erzeugte Lebensmittel. Tun Sie Ihr Möglichstes, um mit bewussten Entscheiden beim Einkauf und konkreten Taten im Alltag die Landwirtschaft aus kurzfristigem Profitdenken zu befreien und in eine nachhaltige und weltweit faire Bewirtschaftungsweise hineinzuführen. Auf den Genuss verantwortungsvoll produzierter Lebensmittel!